Kritische Betrachtung rechts motivierter Straftaten in NRW & Duisburg 2013

Vor kurzem wurden durch eine Anfrage der Grünen an den Landtag NRW die Zahlen zu rechts und antisemitisch motivierten Straftaten für das Jahr 2013 veröffentlicht. Bei 46 (15%) der 315 antisemitisch motivierten Fälle wurde Anklage erhoben, bei der Gesamtzahl (3915) der nach PMK-Rechts eingestuften Delikte waren es 720 (18%) Fälle.
Duisburg steht in der Statistik mit 154 Delikten an dritter Stelle nach Düsseldorf (158) und Dortmund (228). Der starke Anstieg zum Vorjahr (101) deckt sich mit der Stärkung und Reorganisierung der hiesigen Neonaziszene (vgl. Jahresbericht 2013).

Nach Delikten aufgeschlüsselt gab es 2013 in Duisburg: 6 Körperverletzungen, 1 Erpressung, 11 Bedrohungen/Nötigungen, 2 Sachbeschädigungen, 48 Verstöße gegen §86, 86a StGb, 70 Volksverhetzungen, 11 Beleidigungen und 5 sonstige Delikte.

Wer die Geschehnisse letztes Jahr aufmerksam verfolgt hat, wird feststellen: Da fehlt doch etwas! Am 26. Oktober wurde in den Hausflur einer Unterkunft für Asylsuchende in Wanheim eine Nebelkerze geschmissen, die Feueralarm auslöste. Bewohner_innen bemerkten drei vermummte Personen zur Tatzeit vor dem Haus. Ein paar Wochen später, am 13. November brannte eine zu dem Zeitpunkt zum Glück leerstehende Flüchtlingsunterkunft in Walsum aus. Die Feuerwehr stellte fest, dass das Gebäude an zwei Stellen mitten am Tag angezündet wurde. Außerdem gab es in der Nacht vom 8. auf den 9. Oktober einen Brand in einem überwiegend von Roma bewohntem Mietshaus in Homberg. Dabei wurden 17 Menschen verletzt, über 40 Personen mussten auf das Dach des Gebäudes flüchten. Die Täter_innen dieser Anschläge konnten nicht ermittelt werden, alle Verfahren wurden eingestellt, wie aus einer Anfrage an den Landtag hervorgeht. Mit der Einstellung der Verfahren wird begründet, dass „über die Hintergründe der Tat keine abschließende Aussage getroffen werden“ kann. Bei der Brandstiftung in der Walsumer Flüchtlingsunterkunft heißt es sogar: „Hinweise auf eine politisch motivierte Tat haben sich nicht ergeben“.

Vor allem vor dem Hintergrund der aggressiven rassistischen Stimmung, die letzten Sommer/Herbst in Duisburg vorherrschte, liegt das rechte Motiv dieser Anschläge eigentlich auf der Hand. Dies gilt auch für die Schmierereien („Soll dies ein Asylheim sein dann soll es Schutt und Asche sein“) am ehemaligen St. Barbara Krankenhaus in Neumühl. Aber auch hier wurde nicht von einer rechten/rassistischen Motivation ausgegangen. Wie auch bei den o.g. Anschlägen begründet die Polizei dies damit, dass keine Täter_innen gefasst und nach ihrem Motiv befragt werden konnten.
Muss es wirklich erst Bekennerschreiben geben? Hat die Polizei nichts aus dem NSU-Fall gelernt?

Die o.g. Anfrage an den Landtag fördert auch weiteres Brisantes zu Tage: „Der Migrationshintergrund ist kein eigenständiges Merkmal polizeilicher Gefährdungsbewertungen“. Weiter heißt es: „Spezifische Anschlagsgefahren können nur im Zusammenhang mit anderen konkreten Merkmalen des jeweiligen Einzelfalls gezielt bewertet werden.“ Dass solch eine „spezifische Anschlagsgefahr“ letztes Jahr in Duisburg vorlag, wird nicht erwähnt. Dass Menschen, die nicht in das Weltbild von Nazis passen generell gefährdet sind, bedenken Sicherheitsbehörden anscheinend auch nach der Aufdeckung des NSU-Falls nicht.

Ähnliches geht aus einer anderen Anfrage in der gebeten wird Straftaten, die sich gegen „Zuwanderer“, „Menschen mit Migrationshintergrund“ bzw. „von Flüchtlingen bewohnte Häuser und Einrichtungen“ sowie „gegen „die Personen selbst“ richten, aufzulisten. In der Antwort steht dies seien keine Definitionskriterien, stattdessen filtere man sinngemäß „alle statistisch mit dem landeseigenen Zusatz „Asylantenwohnheim“ erfassten Straftaten“. Dabei ist „Asylbewerberheim“ die übliche Bezeichnung. „Der Begriff Asylant wird vor allem von rechtsstehenden Organisationen verwendet und häufig als abwertend empfunden.“ (Quelle: Wikipedia)
Die zwei Fälle aus Duisburg fehlen erneut in der Auflistung. Außerdem fällt auf, dass von den 44 im Zeitraum 1.1.2010 bis zum Abfragedatum 24.1.2014 erfassten Fällen 38 (!) eingestellt wurden.

In der selben Anfrage werden auch die Abweichungen in den Zahlen der Todesopfer rechter Gewalt thematisiert. In der Auflistung des Landtages von Fällen aus der Statistik der Amadeo Antonio Stiftung, bei denen staatlichen Behörden kein rechtes Motiv sehen, fällt auf, dass beim Mord an Egon Effertz am 17.03.1999 in Duisburg nur „Körperverletzung“ steht, nicht einmal der Zusatz „mit Todesfolge“ ist in der Tabelle zu finden. Auffällig ist, dass in diesem Fall keine Akten mehr vorhanden sind, genauso wie in einem Fall in Wülfrath Akten fehlen.

Wie problematisch die bestehenden Definitionskriterien „politisch motivierter Kriminalität“ und ihre Anwendung in der Praxis sind, haben die in diesem Artikel aufgelisteten Fälle mehr als deutlich gezeigt. Die Kritik ist damit aber nicht vollständig. Zum Beispiel fehlen beim Kriterium „Hasskriminalität“ analog zum „Antisemitismus“ die Unterthemen „Antiziganismus“ und „antimuslimischer Rassismus“. Dazu und zu weiteren Problemen der PMK-Definition hat sich die Bundesregierung auf eine Anfrage geäußert. Für eine ausführliche kritische Auseinandersetzung mit der PMK-Definition verweisen wir auf einen Artikel von ‘Opferperspektive e.V.’.

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