Im folgenden dokumentieren wir einen Artikel von Xtranews, der als Reaktion auf die Aussage des Duisburger Polizeisprechers Ramon van der Maat, es gäbe in Duisburg keine Naziszene, erschienen ist. In diesem Zusammenhang sei nocheinmal auf den Jahresbericht der „Antifaschistischen Koordination Duisburg“ hingewiesen, in dem Strukturen, Aktivitäten und Entwicklungen der extremen Rechten im Jahr 2010, beleuchtet werden.
Vor einer Woche wurden Hakenkreuze in einen Eisenbahntunnel in Duisburg-Neumühl gesprüht. Ein Einzelfall, meint die Polizei. – “Ausweislich der Kriminalstatistik haben wir in Duisburg 79 unter dem Oberbegriff rechtsextremistische, fremdenfeindliche und antisemitische Straftaten im Jahre 2009 erfasst. Dies lässt den Schluss zu, daß Duisburg keine offene rechte Szene hat”, sagte ein Pressesprecher uns gegenüber.
Darüber sprachen wir mit der Landtagsabgeordneten Anna Conrads aus Duisburg, die auch innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion ist.
Der Pressesprecher der Duisburger Polizei behauptet, es gäbe keine offene rechtsradikale Szene in der Stadt. Was sagt die innenpolitische Sprecherin der Linken im Landtag, die aus Duisburg kommt, dazu?
Ich kann mich erinnern: Schon vor zehn Jahren – als der Rentner Egon Effertz im Duisburger Norden von Rechten totgeschlagen wurde – lief die Debatte so ähnlich. Damals erschienen dann auch antifaschistische Publikationen, wie „Duisburg-Rechts um?!“, die sich der Beleuchtung der Nazistrukturen widmeten. Es gab damals welche, ebenso wie heute. Auch wenn Sie sich mittlerweile stark verändert haben.
Die Neonazis treten in verschiedenen Stadtteilen seit einiger Zeit verstärkt in Erscheinung: Es wurden neue Aktionsgruppengebildet, sie sind Form von Konzerten, Schulhof-CDs, Graffittis, Aufkleber und Autonomen-Outfit stärker an den Jugendlichen dran.
Generell lässt sich aber sagen, dass wir in Duisburg natürlich nicht so eine aggressive und starke Szene wie in Dortmund–Dorstfeld. Dort sind gewalttätige Übergriffe, eingeschlagene Fensterscheiben, die Vertreibung von engagierten Familien und die Vereinnahmung ganzer Straßen durch die Neofaschisten Realität. In Dortmund wurde die 1.Mai Kundgebung des DGB angegriffen und der Punk Schmuddel von einem Neonazi ermordet. Dort haben Politik, Polizei und Bevölkerung viel zu lange weggesehen, so dass sich eine militante und aggressive Szene in Dorstfeld breit machen konnte.
Soweit sind wir in Duisburg sicherlich nicht – aber wir müssen dringend Präventions-und Bildungsarbeit gegen Neofaschismus, Rassismus und Antisemitismus fördern.
DIE LINKE hat im Landtag eine Große Anfrage zum Thema Neofaschistische Strukturen in NRW gestellt, sobald die Antwort da ist – voraussichtlich Mitte März- wissen wir auch, was die Landesregierung über die Szene in Städten, wie Duisburg an Informationen bereitstellt.
Wer sind denn die Nazis in Duisburg? Und sind sie gefährlich?
Während klassische Parteien, wie die NPD hier eine untergeordnete Rolle spielen, spielt das Spektrum der Kameradschaften, der Autonomen Nationalisten und auch der rechten Hooligans eine größere Rolle. Es sind vermehrt Aktivitäten des Nationalen Widerstands Duisburg beobachtbar, der sich vor kurzem aus zwei Autonom Nationalistischen Gruppen zusammengeschlossen hat. Der Autonomen Nationalisten Duisburg/Krefeld und der Nationalen Jugend Duisburg.
Maßgeblicher Impuls für die Entwicklung eines Autonomen Nationalistischen Aktionismus ist hierbei der Zuzug eines neonazistischen Kader aus dem Schwabenland. Insgesamt gehen wir von ungefähr 40 aktiven gewaltbereiten Neonazis aus, welche sich primär im Hooliganmillieu der Division Duisburg bewegen und ca. 10-15 aktiven Autonomen Nationalisten, die teilweise in Personalunion mit der Division stehen.
Darüber hinaus gibt es einen überschaubaren Kreis von Sympathisanten, welche sich auf diverse regionale Großevents der Neonazis mobilisieren lassen.
Insofern finde ich die Erklärungen der Duisburger Polizei ärgerlich, da gerade diese Gruppierungen im Jahre 2009 auf sich aufmerksam gemacht haben und durch die Polizei mit den brutalen Überfällen auf Gewerkschaftler Busse in Dresden in Verbindung gebracht worden sind.
Vor allem aber fallen die Gruppen in Duisburg bisher durch gehäufte Propagandaaktionen auf: Zettelwurfaktionen zur Bewerbung des europaweit größten Aufmarsches in Dresden in der Innenstadt, Nazischmierereien auf dem Anne-Frank-Denkmal, Schmierereien am Denkmal ermorderter Gewerkschafter im NS, Kreuze im Kantpark mit Rudolf Hess Bildern zu dessen Todestag im vergangenen Jahr, ein konspirativ organisiertes regionales Fussballturnier mit Beteiligung Duisburger Nazis, regelmäßige Teilnahme an Aufmärschen NRW-weit, Plakatieren und massives Aufkleberkleben und Sprühen in verschiedenen Stadteilen z.B. Meiderich, Mitte, Rheinhausen und Marxloh, häufig eben auch an Schulhöfen.
Ich finde, wir dürfen in der Diskussion über Gefährlichkeit und Definitionen über das Wort „Szene“ nicht so lange verharren und uns in Sicherheit wiegen, mit der Folge dass wir eine gefährliche Entwicklung der vorhandenen Strukturen verpassen.
Es ist spätestens seit dem Winter 2004 zu beobachten, daß harte Naziführer wie Christian Worch und Axel Reitz in Duisburg ihren Schauplatz für Aufmärsche ihrer Kameradschaften nehmen.
Vielleicht glauben sie, hier in Duisburg Terrain gewinnen zu können, soziale Spaltung für rassistische Propaganda ausnutzen zu können und eine Brücke zwischen den rechten Lagern zu schlagen. Allerdings ließ sich ja bei jedem der rechten Aufmärsche in Duisburg auch beobachten, dass Reitz und Co nur klägliche Ansammlungen mobilisieren konnten, große Teile der Duisburger Bevölkerung bisher dagegen Präsenz gegen Rechts gezeigt haben und deutlich klargemacht haben: Wir wollen keine Naziaufmärsche in Duisburg!
Duisburg will sich als weltoffene Hafenstadt bezeichnet wissen – glauben Sie, daß in Duisburg Nazis Raum greifen können?
Ich erlebe, dass in Duisburg in vielen Stadtteilen ein friedliches und solidarisches Miteinander gelebt wird und dass es internationalistische Traditionen gibt. Aber in Duisburg haben Pro NRW und die NPD zusammen fast 5% der Stimmen bei der Landtagswahl erreicht – das ist ziemlich bedenklich. In einer Stadt, wie Duisburg mit vielen sozialen Problemen, mit einer wachsenden Gruppe von Menschen, die sozial ausgegrenzt werden, gibt es immer auch einen Nährboden für Rassismus und sozialdarwinistische Ansätze.
Flankiert von der Wirtschaftskrise, Abstiegsängsten der Mitte und der geschürten Terrorparanoia haben Gruppen wie Pro NRW mancherorts möglicherweise leichtes Spiel. Zumal gerade Duisburg in letzter Zeit leider häufiger als Projektionsfläche für muslimfeindliche und kulturalistische Ressentiments aus der Mitte der Gesellschaft dienen muss.