Wie auch schon im Vorjahr fand am 17. März 2012, trotz der unterschiedlichen historischen Zusammenhänge, erneut eine kleine Gedenkveranstaltung statt, bei der allen Opfern rechter Gewalt, nicht nur in Duisburg, gedacht werden sollte. Diesmal wurde das Gedenken von einer Informationskampagne mit Plakaten und Flyern begleitet, welche im Stadtteil Walsum verklebt bzw. in Briefkästen eingeworfen wurden um die Anwohner_innen über rechte Gewalt – damals wie heute – zu informieren.
Egon Effertz
Zu Beginn wurde des vor 13 Jahren von Neonazis im Gewaltrausch ermordeten Frührentners Egon Effertz gedacht. Gegen 15:00 versammelten sich einige Antifaschisten und Antifaschistinnen am Franz-Lenze-Platz in dessen ummittelbarer Nähe sich eine kleine Parkanlage mitsamt eines Gedenksteins, der an den Mord an Egon Effertz erinnern soll, befindet. Es wurden Grablichter aufgestellt und schweigend an die, durch besondere Brutalität gekennzeichnete Tat junger Neonazis gedacht. Im Gegensatz zum Vorjahr wurde zwar der Gedenkstein, der die Inschrift “Leben ohne Gewalt” trägt vom Moos befreit und gesäubert, dennoch zeugt sie weiterhin von der Entpolitisierung der brutalen Tat, welche auch durch die Stadt, Polizei und Behörden gezielt umgesetzt wurde.
Diese bewusste Entpolitisierung seitens Institutionen und Behörden ist gefährlich und hat System, man will von Neonazis nichts hören, das schadet schließlich dem Ansehen der Stadt. Auch wenn die rechten Schläger_innen an diesem Abend auf alles einschlugen was ihnen in den Weg kam, sticht die Brutalität mit der Egon Effertz gequält und letztendlich getötet wurde besonders hervor, da die Täter_innen ihn für einen obdachlosen “Asozialen” hielten. Neben den anderen bekannten Feindbildern sind auch vermeindliche “Asoziale” sowohl den alten als auch den neuen Nazis ein Dorn im Auge. (Hintergrundartikel zum Thema “Asoziale” im NS: 1, 2)
Märzgefallene
Direkt im Anschluss an das stille Gedenken an Egon Effertz ging es auf den Friedhof Alt-Walsum zum Gedenkstein, der ebenfalls gereinigt und neuer Farbe versehen wurde, der Aufständischen der Märzrevolution von 1920. Diese Menschen wurden von den Vorläufern der NSDAP, also den Stahlhelm- und Freikorpsverbänden ermordet. Auch hier wurden Grablichter aufgestellt. In einem Redebeitrag wurde auf die Hintergründe der größten Aufstandsbewegung in Deutschland seit dem Mittelalter eingegangen, sowie auf die Rolle der SPD und ihre Mitverantwortung an dem „Weißen Terror“ gegen die aufständischen Arbeiter_innen. Aber auch die antisemitische und völkische Gesinnung und Propaganda der Freikorps wurde erwähnt. Denn die Freikorps trugen schon 13 Jahre vor der Machtergreifung der NSDAP das Hakenkreuz am Stahlhelm während sie mordend durch das Ruhrgebiet zogen. Auch waren viele dieser Mörder später Nationalsozialisten der ersten Stunde.
Weitere Informationen zu der Aufstandsbewegung und ihre Niederschlagung gibt es in diesem Artikel der Direkten Aktion, auf Anarchopedia und in einer Broschüre der FAU-Duisburg.
Zwangsarbeiter
Da es ja an diesem Tage um Opfer rechter Gewalt und rechten Terror ging, wurden auch die Gräber und der Gedenkstein der im Bergwerk Walsum durch Arbeit vernichteten bzw. ermordeten Zwangsarbeiter_innen, auf dem Friedhof besucht. In der Zeit des Nationalsozialismus kamen tausende Menschen durch den ehemaligen Bergwerksdirektor und Sklav_innentreiber auf dem Bergwerk Walsum ums Leben. Dort wurden 5000 Menschen zur Arbeit gezwungen, im gesamten Stadtgebiet waren es bis zu 70.000. Da es sich hauptsächlich um Menschen aus der Ukraine und der übrigen Sowjetunion handelte, sind die Grabinschriften in kyrillischer Schrift. Diese sind vor einigen Jahren von einem privat engagierten Friedhofsgärtner freigelegt und gesäubert worden, da sie nahezu nicht mehr sichtbar waren.
Im Jahre 2008 gab es eine Kontroverse um eine Kranzniederlegung, die nicht der Opfer von Wilhelm Roelen, sondern ihm als Bergwerkdirektor und damit als NS-Täter gedachten. Der Thyssen-Konzernchef Roelen, schon vor 1933 Mitglied des antisemitischen Stahlhelm, ab 1933 Mitglied der SA und ab 1940 Mitglied der NSdAP – galt als fähiger “Wehrwirtschaftsführer”, der für die hohe Produktivität der Schachtanlage Walsum auf der Grundlage von Sklav_innenarbeit Nazi-Auszeichnungen erhielt. Nach ihm ist immer noch eine der wichtigsten Walsumer Strassen benannt.(vgl. die Forschungsarbeit von Tappe/Tietz: Tatort Duisburg 1933–1945, Klartext Verlag Essen, Seite 313ff).
Kein Vergeben, kein Vergessen – Erinnern heißt kämpfen!