Dossier zum Wahlsonntag in Duisburg: Rechte im und vor dem Rathaus

Letzten Sonntag konnte man in Duisburg ein Kreuz auf drei oder sogar vier Stimmzetteln machen. Neben dem Europaparlament wurden auch der Stadtrat, die Bezirksvertretungen und der Integrationsrat gewählt. Rechte Parteien (NPD, Pro NRW und AfD) sind bei der Ratswahl zusammen auf 9,5% gekommen.

Reaktion auf Einzug der Rechten in den Rat

Der Einzug von NPD und Pro NRW in den Stadtrat verursachte laut dem Medienportal derwesten.de „blankes Entsetzen über alle Parteigrenzen hinweg“. Weiter im Text hieß es: „bei der Wahlpräsentation im Ratssaal haben sich die beiden rechten Parteien nicht blicken lassen, anwesend sind hingegen Vertreter der AfD“. Warum die AfD mit ihrem nationalistischen und ordoliberalen (die alte wirtschaftsliberale Schule aus den 20er Jahren, aus der später der Neoliberalismus hervorging) Programm nicht zu den rechten Partei gezählt wird, erklärt die WAZ nicht.
Im selben Artikel kündigte die SPD an die Rechten zu „ignorieren, nicht auf ihre Anträge eingehen und darauf hoffen, dass sie dem Ratssaal recht bald schon fernbleiben“. Anscheinend fühlt sich die SPD nicht in der Lage den rechten Parteien mit inhaltlichen Argumenten entgegen zu treten. Dies wird daran liegen, dass die Argumentationsmuster der SPD und der Rechten in Bezug auf die Migration nach Duisburg sehr ähnlich sind. Beispielsweise forderte Sören Link letzten Sommer in einer Pressemitteilung das Bundesrecht dahingehen zu ändern, dass es leichter wird EU-Bürger_innen die Freizügigkeit abzuerkennen und sie abzuschieben. Für dieses Statement wurde er vom rassistischen Blog PI-news abgefeiert. Antiziganistische Äußerungen des Duisburger Sozialdezernenten Reinhold Spaniel (SPD) wurden ebenfalls von rechten Medien aufgegriffen.

Da die etablierten Parteien in den vergangenen Jahren keine klare Kante gegen die rassistische und antiziganistsiche Stimmung in der Stadt gezeigt haben, sondern vielmehr selbst dazu beigetragen haben (u.a. die CDU mit Forderungen nach schärferen Kontrollen und mit ihrem Wahlplakat), dürfen sie sich jetzt nicht wundern, dass die Bürger_innen lieber „das Original“ wählen. Die „Ursachenforschung“ der CDU wirkt hingegen völlig realitätsfremd und lächerlich: Die Zusammenlegung von Kommunal- und Europawahl wird als das große Problem gesehen und nicht die lokalen Duisburger Probleme. Dass nicht die Wahltermine, sondern die rassistische Stimmung vor Ort und der falsche Umgang der etablierten Parteien damit (u.a. Abstreiten von Rassismus vor Ort und Konzentration auf vermeintliche „Krawalltouristen“ durch Sören Link) für das gute Abschneiden der Rechten bei den Wahlen verantwortlich ist und nicht irgendwelche Terminüberlappungen, spiegelt sich auch darin wieder, dass der Rechtsdruck bei der Kommunalwahl nur in Duisburg zu verzeichnen war.

Nazis vor dem Rathaus

Gegen den Einzug rechter Parteien in den Stadtrat hat die LINKE eine Kundgebung vor dem Rathaus durchgeführt. Mitglieder des „nationalen Widerstands Duisburg“ (NWDU) fanden sich auch auf dem Parkplatz vor dem Rathaus ein und versuchten einen Blick auf die Versammlung zu erhaschen, wurden aber mit Transparenten abgeschirmt. Anwesend waren u.a. Adrian Albrecht, Bastian Friedrich und Damiana Glied. Die Rheinische Post bezeichnete diese in ihrer Fotostrecke fälschlicherweise als „Neonazis von Pro NRW“.
In Dortmund gab es einen Angriff von Rechten auf die Wahlparty im Rathaus (1|2)

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Die Wahlergebnisse im Detail

Pro NRW zieht mit vier, AfD mit drei und die NPD mit einem Sitz in den Stadtrat ein. (Pro NRW: Mario Malonn, Egon Rohmann, Helga Ingenillem, Wolfgang Bißling | AfD: Holger Lücht, Alan Daniel Imamura, Marion Stöbbe | NPD: Melanie Händelkes) Diese Sitzverteilung erreichten die Parteien durch 4,2% (bzw. 6179 Stimmen) für Pro NRW, 3,5% (5162) für die AfD und 1,7% (2520) für die NPD.
Außerdem bekommt die ‚MTB‘ (‚Graue Wölfe‚) mit 13,4% zwei Sitze im Integrationsrat – das sind zwar drei weniger, als bei der letzten Wahl, aber immer noch zwei zu viel. Mit der MTB arbeitet die „Duisburger alternative Liste“ (DaL), die auch ihre Veranstaltungen in Vereinslokalen der grauen Wölfe abhält, zusammen. Sie bekommt einen Sitz im Rat. ‚Dergah‘ – eine weitere Abspaltung der ‚Grauen Wölfe‘ kommt mit 7,5% auf einen Sitz im Integrationsrat.
Mit jeweils einem Sitz zieht Pro NRW in allen Bezirksvertretungen ein, während die NPD „nur“ in den Bezirksvertretungen Walsum und Meiderich/Beek und die AfD „nur“ in den Bezirksvertretungen Mitte und Hamborn – ebenfalls mit je einem Sitz – vertreten sind.

Die Ergebnisse der einzelnen Wahl- und Stimmbezirke sind teilweise sehr unterschiedlich ausgefallen.
Pro NRW hat ihre Hochburg – wie erwartet – in Neumühl und die AfD – erstaunlicherweise – in Marxloh. Die Ergebnisse der NPD lassen sich leider nicht nach Hochburgen aufschlüsseln, so dass man sich durch alle Wahlbezirke klicken muss. Ihr bestes Ergebnis erzielte die NPD mit 4,5% in Beeck/Bruckhausen, ihr zweitbestes mit 4,2% in Untermeiderich/Mittelmeiderich-Nord.

In einigen Stimmbezirken haben rechte Parteien nur 1-2% bekommen, während es im Stimmbezirk 905 (Neumühl) bei der Ratswahl fast 20% (!) für Pro NRW gab. Da die Anzahl der Wähler_innen in den einzelnen Stimmbezirken unterschiedlich hoch ist, haben hier bereits 26 Leute für dieses erschreckende Ergebnis gereicht, während in einem benachbarten Stimmbezirk 42 Stimmen für Pro NRW 15% ergaben. Diese und weitere Bezirke mit deutlich überdurchschnittlichen Ergebnissen liegen in unmittelbarer Nähe zum ehemaligen St. Barbara Krankenhaus, vor dem am 5. Oktober 2013 etwa 200 Bürger_innen zusammen mit Pro NRW „Kein Asyl in Neumühl!“ skandierten.

Im Stimmbezirk, der die Straßen rund um die Häuser an der Ecke „In den Peschen/Beguinenstr“ umfasste, kommt Pro NRW bei den Bezirksvertretungswahlen mit 26 Stimmen auf 9,7 % und die NPD mit 10 Stimmen auf 3,7 %. Dass die extreme Rechte hier nicht ganz so hohe Ergebnisse erzielte wie in Neumühl, wird daran liegen, dass die ‚Bürgerliche Liberale‘ (BL), welche seit Mitte 2012 mit rassistischer und antiziganistischer Hetze (zuletzt spricht sie in ihrem Wahlprogramm über Migrant_innen aus Südosteuropa als wären es wilde Tiere, die „auf die Duisburger Bevölkerung losgelassen“ werden) aufgefallen ist, 30 Stimmen (11,2%) abgreifen konnte. Überdurchschnittliche Ergebnisse erzielte in diesem Stimmbezirk auch die AfD mit 12% bei der Europawahl.

Erstaunlich ist, dass die AfD mit 8,3% ihr bestes Ergebnis in Marxloh erzielt hat. Da die Bevölkerung Marxlohs nicht zu der Zielgruppe der AfD gehört, sondern eher zu der Gruppe, gegen die sich die Politik der AfD richtet, kann man hier nur feststellen: „Die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber“. Besonders im Stimmbezirk 601 trifft dieses Sprichwort zu, dort erhielt die AfD 30 Stimmen, was 20,3% entspricht.

Wer wissen möchte wie viele Leute in der unmittelbaren Wohnumgebung welche Partei gewählt haben, kann die Ergebnisse der einzelnen Stimmbezirke auf der Seite der Stadt Duisburg einsehen.

Überregionale Wahlergebnisse

Die Ergebnisse rechter Parteien bei den Kommunalwahlen für die anderen NRW-Städte findet ihr auf nrwrex (Stadträte und Bezirksvertretungen). Außerdem gibt es auf dem Medienportal derwesten.de einen Infoticker und interaktive Karten zur Kommunal– und Europawahl. Des Weiteren veröffentlichte ‚Netz gegen Nazis‘ einen Artikel über den Aufschwung rechtspopulitischer Parteien bei der Europawahl.

Weitere Artikel zum Thema

Die ‚Initiative gegen Duisburger Zustände‘ und das ‚Netzwerk gegen Rechts‘ haben in den vergangenen Tagen auch jeweils eine Analyse der Wahlergebnisse veröffentlicht: „Ratswahl: Duisburg entwickelt sich zu einer Hochburg Rechtsradikaler“ und „Duisburg – Rechtsruck oder doch nur Folge neoliberaler Politik? Der große Aufschrei und die eigentlichen Gefahren – Rechtes Denken droht zu erstarken!

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